Vom AK GEM beschlossen am 08.06.2004 Der AK GEM nimmt im Folgenden zu zentralen Punkten Stellung, in der Hoffnung, dass wesentliche Einwände noch in die Beratungen der offiziell damit befassten Gremien und der Verwaltung einfließen können. Grundsätzlich verweisen wir außerdem auf unsere Stellungnahme vom Januar 2003 zur Schulgesetzänderung (Referentenentwurf vom 10.12.2002), soweit hier integrationspädagogische und sonderpädagogische Aspekte aus dem Schulgesetz direkt übernommen wurden. Die VOSopä enthält begrüßenswerte und problematische Passagen. Der AK GEM begrüßt , • dass die Frühförderung und die berufliche Bildung Teil der integrativen Arbeit sind bzw. werden (§ 1, § 21); • dass die “ Ausbildungsbegleitung ” als Gegenstandsbereich der VOSopä bereit im § 1 erwähnt wird; allerdings finden sich in der VOSopä später keine weiteren Bezüge dazu; • dass für alle Schüler individuelle Förderpläne erstellt werden müssen und die Schüler an der Fortentwicklung zu beteiligen sind (§ 3.2). Der AK GEM würde statt einer halbjährlichen Fortschreibung eine Fortschreibung im Rhythmus des Schuljahres (nach der Sommerpause; nach Neujahr; nach Ostern) für sinnvoller halten; • dass auf den Zeugnissen vermerkt werden kann, in welchen Fächern die Leistungsanforderung und –bewertung nicht nach den Maßstäben der allgemeinen Schule erfolgt (§ 18.3); • dass Obergrenzen von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in integrativen Klassen der Primar- und Sekundarstufe eingeführt werden, und die in der VOSopä vorgeschlagene jeweilige Zahl (§ 19 und 20); • dass der Nachteilsausgleich neu aufgenommen wurde (§ 3, 38 ff.). Der AK GEM kritisiert jedoch grundsätzlich, dass dieser Entwurf einer Neufassung der VOSopä dem im Schulgesetz verankerten Vorrang der sonderpädagogischen Förderung im gemeinsamen Unterricht nur ungenügend entspricht. Der Zusammenhang zur Grundschulverordnung und zur Sek.-I-Verordnung wird nicht hergestellt und das in den Paragrafen 31-33 festgelegte Feststellungs- und Aufnahmeverfahren widerspricht diesem Vorrang geradezu. Darüber hinaus hält der AK GEM folgende Punkte für problematisch und schlägt entsprechende Änderungen vor: • In § 4.3 wird von “ sonderpädagogischen temporären Lerngruppen ” gesprochen. Wir begrüßen temporäre Lerngruppen als Teil der inneren Differenzierung innerhalb von Schulklassen. In der Formulierung der VOSopä ist jedoch jedem selektiven Missbrauch Tür und Tor geöffnet – eine Schule kann mit dieser Formulierung alle offiziellen Förderkinder “temporär” (hier ist auch ein Schuljahr und mehr denkbar) in sonderpädagogische Klassen ausgliedern. Diese sind weder lerneffektiv noch sozial akzeptabel. Erforderlich ist also eine Klarstellung des Zweckes sowie eine zeitliche Begrenzung auf höchstens drei Monate und eine Eingrenzung auf bestimmte Förderschwerpunkte. Außerdem sollte das Attribut „sonderpädagogische“ gestrichen werden: Im Einzelfall kann eine Förderung in speziellen temporären Lerngruppen durchaus auch für Kinder ohne sonderpädagogischen Förderbedarf zweckmäßig sein. • In § 4.4 wird von Kindern gesprochen, die “wegen fehlender Voraussetzungen in der allgemeinen Schule nicht gefördert werden können ”. Diese Formulierung ist inakzeptabel: Wie die Praxis der Berliner Schule zeigt, gibt es grundsätzlich keine Behinderungs- bzw. Förderart, die in der allgemeinen Schule nicht integriert werden kann. Die Sonderschulen können sich nicht mit dieser tradierten Begründung legitimieren, sondern, da nach dem Vorrang der allgemeinen Schule das Subsidaritätsprinzip gilt, nur durch pragmatische Gründe, die in den äußeren Bedingungen liegen. Das muss hier deutlicher werden. • In § 4.7 wird der Einsatz von Ambulanzlehrern auch für den Personenkreis der “Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Berufsausbildung ” benannt, allerdings mit dem Zusatz “auf Anforderung”. Der AK GEM schlägt vor, dass dieser Einsatz ein Regelanspruch ist und daher dort entsprechende Stellen eingeplant werden. Der Einsatz der Ambulanzlehrer beim Übergang Schule – Beruf sollte nicht auf “besondere Fälle” eingeschränkt werden. Vielmehr sind generell Jugendliche mit Behinderungen beim Übergang zu begleiten. • § 5.1: In der Ganztagsschule und in der verlässliche Halbtagsschule dürfen Schulhelfer nicht nur auf Unterricht bezogen tätig sein. Die Einschränkung sollte also entfallen. Im Übrigen sollten Schulhelfer auch in der Berufsschule eingesetzt werden können. • § 5.4: “ Schulfremdes Fachpersonal ”: Wenn die Schule Nichtlehrer als Fachpersonal einstellt, dann sind diese nicht “schulfremd”. Entweder muss der Begriff entfallen oder genauer gesagt werden, wer damit gemeint ist. Schulfremd sind allenfalls Personen, die kein Anstellungsverhältnis, auch nicht auf Honorarbasis, an einer Schule haben. • § 11: Fachwissenschaftlich ist nicht begründbar, warum in den Förderbereich “Lernen ” neben kognitiven auch sprachliche und vor allem emotional-soziale Rückstände (sprich: Defizite) definitorisch einbezogen werden. Solch ein extrem ausgedehnter Lernbehinderungsbegriff bedeutet praktisch, dass nur beim Vorhandensein aller drei Defizitbereiche eine Förderung zugebilligt wird. Soll damit ein Sparprogramm legitimiert werden? • § 12.2: Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung wird eine berufliche Orientierung und das Ziel der Integration ins Arbeitsleben in der VOSopä vorenthalten. Das steht im Widerspruch zum Berliner SchG § 23.3, der keinerlei Einschränkungen vorsieht. Es sollte die selbe Formulierung wie im Gesetz eingefügt werden, wie bei Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt Lernen (§ 11.2 Satz 3). • § 13.3: Statt “Heimschulen” werden nun unspezifisch “ sonderpädagogische Einrichtungen in Verbindung mit Maßnahmen der Jugendhilfe ” eingeführt. Damit ist eine unkontrollierbare Expansion von Sondergruppen möglich. Schon jetzt haben einzelne Bezirke bzw. Schulaufsichtsbehörden solche Gruppen halb außerhalb der Legalität eingerichtet. Auch ist festzustellen, dass besonders Ostberliner Schulen mit Zustimmung der zuständigen Schulaufsicht Sonderlerngruppen für Verhaltensauffällige (“Beo-Klassen”) führen, obgleich deren negative Wirkungen dazu führten, dass sie in den 80er Jahren in Westberlin faktisch eingestellt wurden. Der AK GEM plädiert dagegen in Anlehnung an das Hamburger REBUS-Konzept für individuelle Förder- und Hilfeansätze in Verbindung mit der zuständigen allgemeinen Schule. • § 19.5: Die Jahrgangsstufen 5 und 6 sollten jeweils zwei zusätzliche Förderstunden erhalten, vorrangig für sonderpädagogische Förderung und Differenzierung im neuen Fach Naturwissenschaften . Zur Begründung sei darauf verwiesen, dass das Stundendeputat in der Grundschule ansteigt, die sonderpädagogischen Förderstunden jedoch bislang nicht, und somit relativ absinken. Das kann gerade im neuen Fach Naturwissenschaften nicht akzeptiert werden. • § 20.2.6: Es widerspricht der künftig größeren Autonomie der Einzelschule, wenn in 20.2.6 geregelt werden soll, ob Schüler die 9. und 10. Klasse wiederholen dürfen oder nicht . Das soll der individuellen Hilfeplanung an der Schule, mit Einverständnis der Schüler bzw. der Erziehungsberechtigten, überlassen werden. • § 20.3 bzw. 20.4: Durch die Aufspaltung in zwei unterschiedliche Abschlüsse (§ 20.3 berufsorientierter Abschluss und § 20.4 ein dem Hauptschulabschluss gleichwertiger Abschluss ) werden die beruflichen Startchancen der Schüler/innen mit dem Förderschwerpunkt Lernen weiter verschlechtert. Die Regelung in § 20.3 wird aller Voraussicht nach vom nachschulischen System nicht anerkannt werden bzw. keine praktische Verwertungsbedeutung haben.- Für beide Abschlussregelungen werden im Übrigen die fachpraktischen Arbeitsleistungen zu wenig berücksichtigt (nur in § 20.3 Teampräsentation). Das ist eine Verschlechterung gegenüber den bisherigen BB10- und BO10-Regelungen. Viele Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt Lernen werden u.E. mit dem Versuch, einen Hauptschulabschluss zu erwerben, zur Klassenwiederholung der Jahrgangsstufe 10 gezwungen oder in die schulischen Berufsvorbereitungsangebote nach § § 29.3 Berliner SchG gedrängt. • § 20.6: Die Begrenzung integrativer Klassen in der Sekundarstufe ist grundsätzlich abzulehnen. Es gibt keinerlei nachvollziehbare Gründe, warum eine Schule im Rahmen ihrer größeren Selbständigkeit als Teil ihres Schulprogramms und Profils nicht beschließen dürfte, dass alle ihre Klassen, soweit Nachfrage besteht, Kinder mit Förderbedarf aufnehmen. Die Begründung “schulorganisatorisch” ist nicht spezifiziert, und im Übrigen der größeren Selbständigkeit der Einzelschule, dem Wahlrecht der Erziehungsberechtigten und dem Diskriminierungsverbot des GG Art. 3.3 nachgeordnet. • § 21.1 In der Berufsschule ist nur zielgleiche Integration vorgesehen. Hier bedarf es zur Erprobung von zieldifferenten Integration dringend der Schulversuche – insbesondere in der Berufsausbildung, zumal es solche für den Bereich der Berufsschulen mit sonderpädagogischen Aufgaben schon gibt. • § 21.2: Der Verweis auf ausbildungsbegleitende Hilfen (das sind Leistungen nach SGB III) ist in einer schulischen Rechtsverordnung fragwürdig. Die Schule sollte hier eigene Unterstützungsmaßnahmen anbieten. Möglich wäre folgende Formulierung: “Schülerinnen und Schüler, die sich in einer dualen Berufsausbildung befinden, sollen durch geeignete Förder- und Unterstützungsangebote wie dem Einsatz von Ambulanzlehrern, Nachteilsausgleiche sowie Binnendifferenzierung so gefördert werden, dass sie das Ausbildungsziel erreichen können. Zur Koordinierung der Fördermaßnahmen ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Jugendlichen, Schule, Ausbildungsbetrieb oder –träger sowie Erziehungsberechtigten erforderlich.” • § 22.2 (und 23.2): Frühförderung sollte nicht sowohl von der Jugendhilfe als von der Sonderschule angeboten werden. Vielmehr ist hier eine klare Zuordnung nötig, u.E. bei der Jugendhilfe. Frühe Zuordnung zu Sonderschulen führen dazu, dass gemeinsame spätere schulische Integration erschwert wird. • § 22.3: Wenn hier im letzten Satz für Klassen an Sonderschulen für Sehbehinderte mit mehr als 6 Schüler/innen äußere Fachleistungsdifferenzierung nahe gelegt wird, kann auch dies selektiven Missbrauch veranlassen. Wir schlagen stattdessen folgende Formulierung vor: Soweit erforderlich, kann der Unterricht leistungsdifferenziert erfolgen. (Das gilt analog auch für den Förderbereich Hören.) • § 31-33: Das hier festgelegte Feststellungs- und Aufnahmeverfahren entspricht nicht dem schulgesetzlich verankerten Vorrang des gemeinsamen Unterrichts. Wir kritisieren grundsätzlich, dass künftig die Erziehungsberechtigten und die aufnehmende Schule aus dem Feststellungs- und Genehmigungsverfahren heraus genommen werden, die Schulen als bloße Empfänger von Verwaltungsentscheidungen behandelt werden und im gesamten – ausschließlich sonderpädagogischen – Diagnoseverfahren ein Rückfall hinter ganzheitliche, multiprofessionelle Sichtweisen einbeziehende moderne Verfahren festzustellen ist. Erkennbar ist im Übrigen das Interesse, dass die Sonderschulen nun zentral organisieren und vorentscheiden, wer integriert oder in Sonderschulen unterrichtet werden soll. Damit ist eine unabhängige Diagnose und Beratung in Frage gestellt ; denn man kann das strukturelle Eigeninteresse von Sonderschulen an einer Mindestüberweisung von Schülern an die eigene Schule nicht außer Acht lassen. Letztlich stellt dieser Teil der VOSopä eine Rückkehr zu alten, vor 1990 vorherrschenden, rein sonderpädagogischen und sonderschulischen Verfahren der Feststellung des Förderbedarfs dar. Der AK GEM weist darauf hin, dass diese Position international längst zugunsten institutionsunabhängiger, multiprofessioneller Diagnostik und Entscheidung ersetzt wurde. • § 32.3 Die Bezeichnung “ wissenschaftlich anerkannte Testverfahren ” ist problematisch. Zum einen gibt es zunehmend mehr Diagnoseverfahren, die sich auch international bewährt haben, die aber keine Tests im engen Sinne sind. Zum anderen sollte eine Liste bewährter Diagnoseverfahren als Empfehlung herausgegeben, und von Zeit zu Zeit von einer Kommission überprüft werden, welche neuen Verfahren mit in die Liste aufgenommen werden sollen. • § 34: Aufnahmeausschuss : Auch hier soll ohne die Einzelschule, ohne die aufnehmenden Klassenlehrer rein administrativ beraten und entschieden werden (Erziehungsberechtigte und Schulleitung haben nur noch ein Anhörungsrecht). Dass die zuständige Sonderschule hier den Vorsitz einnimmt, und dass Schulbehörde und Sonderschule zusammen (ohne oder gegen den einbezogenen Schulpsychologen) entscheiden können, spricht für eine im Konfliktfall einseitige Struktur und bestätigt das fragwürdige Verfahren aus § 31-33. Der Geist der VOSopä ist an diesen Stellen rein obrigkeitlich – auch gegenüber den selbständiger werdenden Einzelschulen, vor allem aber auch gegenüber den angeblich wahlfrei entscheidenden Erziehungsberechtigten. Sie haben weniger Rechte als zuvor. Deshalb sollten die Erziehungsbe4rechtigten in Analogie zum bisherigen Fö4rderausschuss Mitglieder des Aufnahmeausschusses werden, ebenso die Widerspruch einlegende Schule. Auf diese Weise ist ein gleichberechtigter Zwang zur Verständigung installiert. • § 36.3: Beförderungskosten : Der AK GEM kritisiert seit Jahren, dass in Berlin jene Bezirke die Beförderungskosten zu tragen haben, in denen die Schule liegt . Damit ist kein Anreiz gegeben, kurze Wege – d.h. wohnortnahe Integration – anzustreben. Würde das Wohnortprinzip , wie es andere Bundesländer praktizieren (z.B. auch Brandenburg und Hamburg) angewandt, würde der Wohnortbezirk ein Interesse haben, geringe Kosten durch kurze Wege zu erreichen. Dem AK GEM ist unverständlich, warum diese Lösung, die zugleich Integration befördert, seit Jahren und erneut in dieser Regelung abgelehnt wird. –Im Übrigen lehnt der AK GEM die Beteiligung der Eltern an den Beförderungskosten in die Schule als unsoziale Maßnahme ab.
Stellungnahme des AK GEM zur Berliner Ganztagsschulentwicklung, besonders unter integrationspädagogischen Aspekten
Stellungnahme des AK GEM zur Berliner Ganztagsschulentwicklung, besonders unter integrationspädagogischen Aspekten
I. Ziele von Ganztagsschulen präzisieren!
Wir begrüßen, dass die Berliner Bildungspolitik die Notwendigkeit eines qualitativen und quantitativen Ausbaus von Ganztagsgrundschulen erkannt hat. Darüber hinaus müssen aus der Sicht des AK GEM aber noch über die Festlegungen im neuen Schulgesetz hinausgehende gemeinsame Ziele formuliert werden, auf die sich die konkreten Umsetzungsschritte überprüfbar beziehen. 1. Ganztagsschulen sollen allen Kindern eine bessere Förderung garantieren und 2. eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten. Sie haben außerdem darüber hinaus gehende Ziele: 3. Sie sollen in einem „Haus des Lernens“ genügend Zeit und Raum schaffen, um den Lehrern einen möglichst optimalen Rahmen für Unterricht und Erziehung und allen Kindern ein ganzheitliches Erfahrungsfeld zu ermöglichen. 4. Ganztagsschulen sollen Chancenungleichheit abbauen helfen. Sie sollen deshalb so konzipiert und eingerichtet werden, dass Kinder aus sozial-ökonomisch benachteiligten Familien – gerade auch in sozialen Brennpunktgebieten – eine ihre Gesamtentwicklung unterstützende Förderung in Unterricht und Schulleben erfahren und 5. Kinder mit Behinderungen und mit Lern- und Verhaltensproblemen die zur Bewältigung ihrer besonderen Lebenslagen notwendige Förderung und Betreuung erhalten. Diese Anforderungen sind grundsätzlich nur in gebundenen Ganztagsgrundschulen zu realisieren. Halbtagsgrundschulen mit nachmittäglichem Freizeitangebot für einen Teil der Schüler sind aus unserer Sicht noch keine Ganztagsgrundschulen. Ihre kompensatorische Wirkung ist gering, wie jüngste Belege aus Bremen zeigen. Aber auch wir gehen davon aus, dass ein so ehrgeiziges Reformprogramm wie die flächendeckende Einführung gebundener Ganztagsgrundschulen nur schrittweise zu verwirklichen ist und akzeptieren den offenen Ganztagsbetrieb der Mehrzahl der Berliner Grundschulen als einen Zwischenschritt.
II. Gefahren bei der und Forderungen für die Umsetzung
Der AK GEM weist auf mögliche Fehlentwicklungen hin und empfiehlt dringend, dass einige bereits angekündigte oder vollzogene Maßnahmen auf nachteilige Auswirkungen und Nebenwirkungen hin überprüft werden. Der AK bezieht seine Bedenken und Forderungen konzentriert auf fünf Bereiche.
II.1 Raumprobleme
Die derzeitig gültigen Raumvorgaben bedürfen einer dringenden Überarbeitung. Um die geplanten Ganztagsschulen zu akzeptierten und pädagogisch wirkungsvollen Schulen werden zu lassen, müssen qualitativ und quantitativ ausreichende Räume für den Freizeitbereich vorgesehen sein. Ein fester Freizeitraum im Sinne eines kindgerechten, dem Kind vertrauten Aufenthaltsraums ist für alle Kinder abzusichern. Darüber hinaus müssen genügend Räume für die Förderung sowohl einzelner Kinder und Kindergruppen als auch Räume für Rückzug, Ruhe und für Bewegung sowie Begegnung und für sinnvolle Freizeitaktivitäten vorhanden sein. Selbstverständlich muss es in einem zeitgemäßen Raumprogramm verbindliche Angaben zu einer behindertengerechten Grundausstattung (z. B. rollstuhlgerechte Zugänge, behindertengerechte WCs, Ruheraum usw. ) geben. Dies gilt entsprechend für Kinder, die im Rahmen der verlässlichen Halbtagsgrundschule mit anschließendem additiven Offenen Ganztagsbetrieb in schulischen Räumen betreut werden. Zur Begründung verweist der AK GEM darauf, dass das bisherige Musterraumprogramm weitgehend verengt ist auf eine Doppelnutzung von Unterrichtsräumen in den neu zu schaffenden Ganztagsgrundschulen. Es verkennt den tatsächlichen Raumbedarf ganztägig organisierten Unterrichts und Schullebens. Die räumliche Versorgung der bisherigen Hortkinder würde somit an der Grundschule erheblich schlechter sein als derzeit noch in den vergleichbaren Einrichtungen der Jugendhilfe. II.2 Personalprobleme Bei der Personalzumessung müssen unter Berücksichtigung der Anzahl der Kinder mit sonderpädagogischem und erheblichem sozialpädagogischen Förderbedarf sowie der Kinder nichtdeutscher Herkunft die derzeit noch geltenden Standards der Horte im Bereich der Jugendhilfe Anwendung finden (siehe KitaPers VO §§ 5-7 von 1998). Dies gilt es entsprechend bei der Gruppengröße pro ErzieherIn zu berücksichtigen. In allen Schulen müssen die Qualifikationen des Erzieherpersonals den Anforderungen einer Ganztagsgrundschule entsprechen. Dies gilt natürlich in besonderem Maße für Schulen in sozialen Brennpunkten und für die Aufgaben der gemeinsamen Unterrichtung und Erziehung von behinderten und nicht behinderten Kindern und betrifft die Stellen der ErzieherInnen, der StützpädagogInnen und insbesondere die Leitung des Freizeitbereichs. Es schließt den stellenplanmäßigen Erhalt in den bisherigen Vergütungsgruppen ein. Zur Begründung sei darauf verwiesen, dass aus der Drucksache 15/758 und 15/1114 (Sen BJS I A/III D) sich entnehmen lässt, dass es künftig außer den ErzieherInnen keine LeiterInnenstellen und qualifizierte StützerzieherInnen – mit entsprechenden Besoldungsgruppen wie derzeit in der Jugendhilfe – geben soll. Die Hortbereiche an den Ganztagsgrundschulen sollen also künftig ohne die entsprechend qualifizierten MitarbeiterInnen organisiert werden. Dies wird einen Verlust an Qualität nach sich ziehen und führt zu einer unzumutbaren Überbelastung der Schulleiterinnen von Ganztagsgrundschulen. SchulleiterInnen sind in Berlin nur mit etwa einer halben Stelle für Schulleitungstätigkeiten in Grundschulen freigestellt, und nur wenige SchulleiterInnen verfügen über die notwendigen sozialpädagogischen Kompetenzen, um eine qualitativ anspruchsvolle Ganztagsschule – ob nun gebunden oder offen – aufzubauen und zukünftig ohne die Unterstützung von kompetenten FreizeitleiterInnen zu leiten. Die Vorgaben im Personalbereich und bezüglich der Gruppengrößen in Ganztagsgrundschulen verhindern in der Praxis die angestrebte qualitative Weiterentwicklung der Berliner Grundschule. Besonders für Kinder mit stärkeren Lern- und Verhaltensbeeinträchtigungen und mit gravierenden Behinderungen gibt es keinerlei Frequenzabsenkungen. Die „defacto-Vergrößerungen“ der Gruppen im Freizeitbereich durch das neue Jahresarbeitszeitmodell verschärfen die bereits aus dem Jugendbereich bekannten Missstände. Die Verknüpfung von Unterricht und Freizeitbereich, wie sie für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf und generell für Schulen in sozialen Brennpunkten besonders wichtig ist, wäre aufgrund des vorgegebenen Personalschlüssels und den noch immer ungelösten Fragen der Arbeitszeitregelung bei Lehrern und Lehrerinnen nicht zu realisieren. Für Kinder mit Behinderungen fehlen bisher verbindliche Rahmenbedingungen für den Freizeitbereich an Ganztagsgrundschulen, die dem gesetzlich festgelegtem Vorrang integrativer Beschulung entsprechen.
II.3 Gefahr der sozialen Segregation
Längerfristig darf es keine Parallelsysteme – einerseits kostenlose gebundene Ganztagsgrundschule, andererseits kostenlose Halbtagsschule, ergänzt durch kostenpflichtigen Offenen Ganztagsbetrieb – geben. Es gilt, in einem überschaubaren Zeitrahmen grundsätzlich alle Berliner Grundschulen zu gebundenen Ganztagsschulen zu entwickeln, wobei das zeitliche Ausmaß der Gebundenheit Teil der vorgesehenen Systemevaluation sein sollte. Ganztagsgrundschulen müssen räumlich, sächlich und personell so konzipiert und ausgestattet sein, dass sie für alle Kinder aus allen Bevölkerungsschichten attraktiv sind und allen Kindern eine optimale individuelle Förderung bieten können. Schulen in besonders belasteten Gebieten müssen im Sinne von Stadtteilzentren so unterstützt werden, dass sie mit attraktiven und sozialpädagogischen zusätzlichen Angeboten in ihrem schwierigen Umfeld wirken können. Der AK GEM hält die unterschiedliche Finanzierung der Ganztagsplätze in gebundenen Ganztagsgrundschulen und im offenen Ganztagsbetrieb für problematisch. Es besteht die Gefahr, dass die gebundenen Ganztagsgrundschulen in sozialen Brennpunkten zu Schulen für arme, bildungsferne Bevölkerungsschichten werden; die bereits jetzt zu beobachtende Abwanderung der ökonomisch abgesichert lebenden Familien aus diesen Stadtteilen wäre so nicht zu stoppen. Auch im Offenen Ganztagsbetrieb müssen deshalb zumindest für einzelne Kinder schon jetzt Plätze kostenlos zur Verfügung stehen, wenn aus sozial-pädagogischer Sicht die ganztägige Betreuung und Förderung als ergänzende Familienhilfe notwendig erscheint. Die Erfahrung zeigt, dass gerade viele Migrantenfamilien aus nachvollziehbaren Gründen kostenpflichtige Angebote meiden. Im kostenpflichtigen Offenen Ganztagsbetrieb müssen Eltern im oberen Einkommensbereich inzwischen relativ hohe Kostenbeiträge bezahlen. Aufgrund der mehr als bescheidenen räumlichen und personellen Rahmenbedingungen der neu zu schaffenden Ganztagsgrundschulen könnten Eltern in ökonomisch abgesicherten Verhältnissen dazu neigen, private Betreuungsverhältnisse für die wenigen verbleibenden Stunden am Nachmittag zu organisieren, um so für ihre Kinder die Unterbringung in aus ihrer Sicht unattraktiven Ganztagsschulen zu vermeiden. Die integrative Kraft, die von Kindern dieser Bevölkerungsschicht ausgeht, würde dann den benachteiligten Kindern wie dem Schulleben insgesamt verloren gehen. Grundschulen in sozialen Brennpunkten könnten dadurch zunehmend an gesellschaftlicher Integrationskraft verlieren. Zur schrittweisen Schaffung eines flächendeckenden Angebots an ganztägiger Bildung, Erziehung und Betreuung müssen Schulen in sozialen Brennpunkten schon jetzt stellenplanmäßig abgesicherte präventive Angebote im Nachmittagsbereich bieten können. Dies sollte im Sinne von integrierender Schulsozialarbeit zu einem Teil auch durch LehrerInnen geleistet werden können. Darüber hinaus müssen hier möglichst schnell Rahmenbedingungen für die Einzelschule geschaffen werden, sich bedarfsgerecht zusätzliche Angebote zur Erweiterung der Nachmittagsaktivitäten „einkaufen“ zu können.
II.4 Probleme der gemeinsamen Schulentwicklung für Unterricht und Freizeit
Die Bildungsverwaltung sollte im Prozess des gesamten Projektmanagements – unter Einbeziehung aller Beteiligten – klare pädagogische Zielvorstellungen für Ganztagsgrundschulen als „Häuser des Lernens und gemeinsamen Lebens“ und entsprechende Rahmenvorgaben entwickeln und umsetzen. Die öffentliche Diskussion über die konkreten Umsetzungsschritte und Probleme der Grundschulen auf dem Weg zur Ganztagsschule sollte mit Eltern, Lehrern und Schülern gemeinsam geführt werden, damit sie alle zu aktiven Unterstützern des Lernens und Lebens in der Schule für alle werden. Der AK GEM weist darauf hin, dass Halbtagsgrundschulen mit nachmittäglichem Freizeitangebot für einen Teil der Schülerschaft noch keine Ganztagsgrundschulen sind. Ein besonderes Augenmerk muss Politik und Verwaltung gerade in der Aufbauphase einer Ganztagsgrundschule auf die Fragen der gemeinsamen inhaltlichen (Ganztags-) Schulentwicklung von LehrerInnen und MitarbeiterInnen im Freizeitbereich haben. Eine ganzheitlich ausgerichtete Arbeit in einer Ganztagsgrundschule kann nur mit Hilfe tatsächlicher Kooperation von sozialpädagogisch kompetenten Fachkräften und den unterrichtenden LehrerInnen stattfinden. Dies betrifft die Phase der Konzeptentwicklung ebenso wie die stete Qualitätssicherung und Weiterentwicklung. LehrerInnen, ErzieherInnen und auch die zukünftig betroffenen Eltern und SchülerInnen werden derzeit viel zu wenig in den Umgestaltungsprozess einbezogen. Standortbezogene pädagogische Schwerpunkte der Einzelschulen – z. B. besonders intensive Vorerfahrungen zum gemeinsamen Unterricht, zur verlässlichen Halbtagsgrundschule, mit langjährigen Teamerfahrungen usw. – werden zu wenig berücksichtigt und beim beabsichtigten Personaltransfer zu wenig beachtet. Die große Chance gemeinsamer Schulentwicklung kann aber nicht genutzt werden, wenn die Schulen keine Klarheit über das zukünftige Personal haben.
II.5 Prozessbegleitung und externe Unterstützung
Die Umwandlung der Berliner Grundschulen in Ganztagsschulen ist für die Schulen wie für die Administration ein pädagogisch und bildungspolitisch bedeutender großer Schritt. Er braucht einerseits die Stärkung der Einzelschule, andererseits die externe Unterstützung – auch für Schulaufsicht und Schulverwaltung. Der AK GEM empfiehlt die Einbeziehung eines professionellen Projektmanagements und einer prozessbegleitenden wissenschaftlichen Begleitung, die ihre Arbeit an den eingangs aufgeführten Zielen orientiert.
Stellungnahme des AK GEM zur „Neuen Schulanfangsphase“
Beschlussfassung vom 27. 1. 04
Zur Situation
Der Berliner Senat hat mit der Verabschiedung des neuen Schulgesetzes die Vorverlegung des Beginns der Schulpflicht um ein halbes Jahr sowie die Einführung der „neuen Schulanfangsphase“ zum Schuljahr 2005/2006 beschlossen. Die Schulanfangsphase umfasst die Jahrgangsstufen 1 und 2. Sie knüpft – laut Schulgesetz §20 (2) „an die individuelle Ausgangslage der Schülerinnen und Schüler, ihre vorschulische Erfahrung sowie ihre Lebensumwelt an. Sie hat das Ziel, die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler durch Formen des gemeinsamen Lernens, Arbeitens und Spielens zu entwickeln und zu erweitern und dabei die soziale Kompetenz zu fördern.“ Die nähere Ausgestaltung der Schulanfangsphase soll durch Rechtsverordnung geregelt werden. Die Ressourcenfrage ist noch offen.
Was ist „neu“ an der „neuen Schulanfangsphase?
• Die Schulpflicht beginnt ein halbes Jahr früher. • Die Vorklassen entfallen. • Alle schulpflichtigen Kinder werden eingeschult; auf Zurückstellungen soll grundsätzlich verzichtet werden; die Heterogenität der Lerngruppen nimmt zwangsläufig zu. • In der Schulanfangsphase werden vermutlich neben Lehrer/innen zugleich di bisherigen Vorklassenleiter/innen und Erzieher/innen tätig sein. • In der Schulanfangsphase als einer pädagogischen Einheit entfällt das Aufrücken von der ersten in die zweite Jahrgangsstufe. Es werden jedoch am Ende der Jahrgangsstufe 1 Zeugnisse erteilt. Schüler/innen, die die „Lern- und Entwicklungsziele der Schulanfangsphase erreicht haben, können auf Antrag der Eltern vorzeitig in die Jahrgangsstufe 3 aufrücken. Kinder, die am Ende der Schulanfangsphase diese Ziele noch nicht erreicht haben, können auf Beschluss der Klassenkonferenz oder auf Antrag der Eltern ein zusätzliches Schuljahr in der Anfangsphase bleiben, ohne dass dieses Schuljahr auf die Schulpflicht angerechnet wird.“ • Die Regelungen zur Schulanfangsphase gelten auch für „Sonderschulen“ (Ausnahme: Förderschwerpunkt „Lernen“). • Es wird künftig für Kinder mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „Lernen“ keine 1. und 2. Jahrgangsstufen an „Sonderschulen“ mehr geben. Auch sonderpädagogische Förderklassen und Kleinklassen soll es künftig nicht mehr geben. • Für die Förderschwerpunkte „Lernen“ und „Emotionale und soziale Entwicklung“ soll es keine Eingangsfeststellung für einen sonderpädagogischen Bedarf geben, sondern Beobachtung und individuelle Förderung. Erst ab Klasse 3 ist hier ggf. eine sonderpädagogische Förderung vorgesehen. Es soll pro Klasse eine Basisausstattung sonderpädagogischer Förderung geben, vermutlich 3 h. Der Rest – etwa 2 h – soll zur Schwerpunktbildung (LRS, Entwicklungspädagogischer Unterricht für verhaltensauffällige Schüler u.a.) verwendet werden. • Eine jahrgangsübergreifende Organisation der Lerngruppen soll grundsätzlich eingeführt werden.
Forderungen des AK GEM
• Die Lerngruppen der Schulanfangsphase müssen in ihren Rahmenbedingungen (Frequenz, personelle Ressourcen, Räume) den integrationspädagogischen Aufgaben der Schulanfangsphase bei größerer Heterogenität der Lerngruppen genügen und Bezug nehmen auf regionale Besonderheiten. • Der AK GEM hält in der „neuen Schulanfangsphase“ Lerngruppen mit maximal 20 Kindern für pädagogisch erforderlich, damit Individualisierung tatsächlich umsetzbar ist. • Der AK GEM fordert zusätzliches Personal und Unterstützungssysteme innerhalb der Schule, um die Ziele der neuen Schulanfangsphase realisierbar zu machen und Chancengleichheit zu ermöglichen. Die Einbeziehung des Bandbreitenmodells in die Schuleingangsphase lehnt der AK GEM ab. • Der Übergang in die Jahrgangsstufe 3 der Grundschule muss auf der Grundlage prozessorientierter – nicht normorientierter – Kriterien erfolgen. Deshalb muss bei einer positiven Lern- und Leistungsentwicklung eines Kindes der Übergang in die Jahrgangsstufe 3 erfolgen, selbst wenn die Jahrgangsnormen nicht erfüllt sind. Bei Schülern, die drei Jahre in der Schulanfangsphase verbleiben, muss in jedem Fall danach der Übergang – ggf. mit zusätzlichem sonderpädagogischen Förderbedarf – sicher gestellt sein. • Das kürzere oder längere Verbleiben eines Kindes in der Schulanfangsphase soll grundsätzlich auf der Grundlage einer gemeinsamen Entscheidung der Erziehungsberechtigten und der Klassenkonferenz erfolgen. • Für die Umsetzung der integrationspädagogischen Ziele der „neuen Schulanfangsphase“ in einem individualisierenden und zugleich kooperativen Unterricht muss ein vorbereitendes und begleitendes unterstützendes Qualifizierungsprogramm eingerichtet werden; die Teilnahme sollte für die in der Schulanfangsphase tätigen Pädagoginnen und Pädagogen im Rahmen ihrer Dienstzeit erfolgen und verpflichtend sein. • Die Umsetzung der integrationspädagogischen Ziele der Schulanfangsphase ist im Schulprogramm jeder Schule darzustellen. • Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport wird aufgefordert, die Rahmenbedingungen der neuen Schulanfangsphase unverzüglich bekannt zu geben.
Schaffung einer landesweiten Koordination Schule-Jugendhilfe!
Stellungnahme des AK GEM zum Verhältnis Schule – Jugendhilfe unter integrationspädagogischen Gesichtspunkt Der AK GEM begrüßt es, dass im Entwurf des neuen Berliner Schulgesetzes in den Grundsätzen eine enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe gefordert wird (§ 4). Diese engere Zusammenarbeit ist nicht nur im Rahmen der erweiterten Halbtagsschule und der Ganztagsschule erforderlich, sondern sollte generell von jeder Schule und jedem Jugendamt realisiert werden. Um dieses Näherkommen zweier oftmals sich sehr fern stehender Institutionen, die auch verwaltungstechnisch getrennt sind, zu erleichtern, halten wir folgendes für erforderlich:
- Die Zuständigkeit innerhalb der Jugendämter sollte nicht mehr wie bisher nach Straßen, sondern mindestens im Grundschulbereich nach Einzugsgebieten der Schulen organisiert wird, damit eine kontinuierliche Zusammenarbeit von Einzelschule und entsprechenden Sachbearbeitern geschaffen wird.
- Auf Landesebene sollte eine in der Bildungsverwaltung verankerte Koordinierungsstelle zwischen Schule und Jugendhilfe geschaffen werden. Aufgabe sollte die rechtliche, verwaltungsinterne Hilfe für die Bezirke bei der Umsetzung einer verbesserten Zusammenarbeit, die Erstellung von Info-Material, die Organisierung von Tagungen und die Aufarbeitung der Erfahrungen aus anderen Bundesländern sein. Das Land Brandenburg hat solch eine Koordinierungsstelle (mit je einer Stelle aus dem Schul- und dem Jugendbereich) geschaffen und damit große Akzeptanz erfahren.
- Mit dieser Koordinierungsstelle sollten Zuständigkeiten im Zusammenhang mit Schulschwänzerprojekten , der schulischen Arbeit mit verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern (Schülern im Bereich sozialer und emotionaler Förderung) und andere Schwerpunkte (ggf. auch im Bereich von Jugendgewalt) vernetzt werden, so dass ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch gewährleistet ist und keine Doppelarbeit stattfindet.
Für den AK GEM Prof. Dr. U. Preuss-Lausitz
Bildungspolitische Forderungen des AK Gem an die rot-rote neue Regierung und ihre Fraktionen
Arbeitskreis Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher (AK GEM) Sprecher: Prof. Dr. Ulf Preuss-Lausitz, Peter Heyer, Monika Rebitzki, Manfred Rosenberger TU Berlin, Franklinstr. 28/29, D-10587 Berlin, Sekr. FR 4-3, Tel. 030/314-73205/7, FAX 314-73223 e-mail: preuss-lausitz@tu-berlin.de e-mail: monika.foit@tu-berlin.de An die bildungspolitischen Vertreterinnen und Vertreter der Parteien des Abgeordnetenhauses der Legislaturperiode 2001-2006 18. März 2002 Betr.: Bildungspolitische Forderungen des AK Gem an die rot-rote neue Regierung und ihre Fraktionen Sehr geehrte Damen und Herren, wir gratulieren Ihnen zu Ihrem Mandat und möchten Ihnen zugleich die Forderungen des Arbeitskreises Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher (AK GEM) vorlegen. Der AK GEM ist ein freier Zusammenschluss von Lehrkräften, Eltern, Wissenschaftler/inn/en, Studierenden und Vertretern aus verschiedenen Vereinigungen und Verbänden, dem es um die Realisierung der Integration auf allen Ebenen des Bildungswesens geht. Er besteht seit Dezember 1991 und versucht insbesondere, mit allen Parteien des Abgeordnetenhauses, mit den jeweils verantwortlichen Vertretern der Senatsverwaltungen, mit Gewerkschaften, Verbänden und mit Schulen in einem kontinuierlichen Dialog Vorschläge zu entwickeln und die entsprechende Politik kritisch und praktisch zu begleiten. In diesem Sinne haben wir für die nun beginnende Legislaturperiode unsere Forderungen und Positionen zusammengestellt. Wir sind gern bereit, Sie mit Ihnen auf Wunsch auch persönlich zu erläutern. Wir hoffen und wünschen uns, dass viele dieser Forderungen in den nächsten Jahren realisiert werden können. Der AK GEM erwartet aus integrationspädagogischer Sicht von der neuen Regierung, dass in der neuen Legislaturperiode folgende Punkte verwirklicht werden, und hofft, dass die Parteien des Abgeordnetenhauses diese Forderungen unterstützen: • Alle Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf müssen das Recht haben, bis zum Ende ihrer Schulzeit auf Wunsch am gemeinsamen Unterricht in der Regelschule teilnehmen zu können. • Der gesondert für GU formulierte Haushaltsvorbehalt muss im Schulgesetz verschwinden. Die Lehrerstellen-Etats für die Sonderschulen und den GU sollen zusammengefasst werden. • Schulleiter/innen dürfen nicht, wie im Entwurf des Schulgesetzes vorgesehen, Kinder mit sonderpädagogischen Gründen ablehnen dürfen. Diese Entscheidung muss bei der Schulaufsicht bleiben. • Die Rahmenpläne der Berliner Schule sind so zu überarbeiten, dass diejenigen der Sonderschulen/sonderpädagogischen Förderung in die allgemeinen Rahmenpläne integriert werden. • Integrativ arbeitende Sonderpädago/inn/en (besonders für die Bereiche Lernen, Verhalten und Sprache) sollen stellenmäßig an den allg. Schulen geführt werden. Sie sollen auch für den sonderpädagogischen Teil der Kind-Umfeld-Diagnostik an ihrer Schule zuständig bleiben. • Ort des Förderausschusses soll grundsätzlich die zuständige Grundschule sein. • Das Förderausschussverfahren soll beibehalten werden, damit individuelle Förderpläne auf fachlicher Grundlage entwickelt und dokumentiert werden können. Die Förderausschüsse sollen durch multiprofessionelle Teams (von denjenigen, die die Kinder schon kennen) unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten durchgeführt werden. • Im LISUM soll ein Fortbildungsschwerpunkt „Lernen unter Bedingungen von Heterogenität“ (der kognitiven, physischen, ethnischen und anderer Unterschiede) dauerhaft installiert werden. • Der Schulversuch Integration geistig Behinderter in der Sekundarstufe I soll fortgeführt werden. Eine Auswertung soll bis 2003 vorgelegt werden, damit die daraus gezogenen Schlussfolgerungen dann als Regelfall in die allgemeinen Schulen übernommen werden können. • Der Schulversuch Berufliche Orientierung für Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf soll ebenfalls fortgeführt werden. Eine Auswertung soll bis 2003 vorgelegt und die Schlussfolgerungen sollen in den allgemeinen Sekundarschulen realisiert werden. • Die Sonderschulen für Lernbehinderte und für Sprachbehinderte sollen schrittweise auslaufen, indem keine neuen Klassen eröffnet werden, und das pädagogische Personal in die allgemeinen Schulen verlagert werden (wie dies z.B. Bremerhaven schon verwirklicht hat). • Bei der Verpflichtung aller Schulen (durch das neue BerlSchG), Schulprogramme aufzulegen, soll verlangt werden, dass alle Schulen sich darüber äußern, wie sie den gemeinsamen Unterricht in ihrer Schule verankern und stärken können . (Auch in der schulinternen Evaluation muss dies ein ständiger Merkposten sein.) • Das Amt des Behindertenbeauftragten des Landes Berlin muss stärker in politische Entscheidungen einbezogen werden, nicht nur in unmittelbar erkennbar behindertenspezifische Entscheidungen, sondern auch in solche etwa der Bildungs-, Jugend-, Sozial und Verkehrspolitik, die voraussichtlich behinderungsbezogene Auswirkungen haben. • Im Übrigen verweisen wir auf unser Papier vom September 1998 „Neue Wege zur Weiterentwicklung der gemeinsamen Erziehung “, dessen 8 Punkte erst teilweise realisert worden sind. Hier zur Erinnerung diese acht Forderungen: • gesetzlicher Vorrang der gemeinsamen Erziehung (im Entwurf des BerlSchG enthalten); • Integrierte Rahmenpläne; • Integrationspädagogische Lehrerkompetenz für alle (bislang nur in Form einer Pflichtlehrveranstaltung realisiert); • Integration des Lehramts „Lehrer an Sonderschulen“ (in die Lehrämter L 1-5) und Ermöglichung, Sonderpädagogik auch als 2. Fach studieren zu können; • Modellversuch zur Integration behinderter Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache; • Schrittweise Auflösung der Sonderschulen für Lernbehinderte und für Sprachbehinderte durch jährliche Nichteröffnung neuer Klassen; • landesweite Schulentwicklungsplanung für Integration (anstelle von jährlichem Streit über Stellen und Bittstellersituation vieler Eltern); • Sicherung der integrationspädagogischen Fortbildung. Auch unsere Forderungen im Papier zum „ Gemeinsamen Unterricht in Grundschulen sozialer Brennpunkte“ vom April 2000, die wir mit dem Schulsenator diskutiert haben, sind weiterhin gültig. Dort werden eine Senkung der Klassenfrequenzen und vernünftige Vorgaben für die Lehrerausstattung in Integrationsklassen, die Einführung der „verlässlichen Halbtagsschule“ als Zwischenschritt zur Ganztagsschule und die Einstellung und Qualifizierung von Muttersprachler-Lehrern genannt. Mit der Senkung der Klassenfrequenzen in Grundschulen sozialer Brennpunkte wurde begonnen. Es muss sichergestellt werden, dass bei Einführung der integrierten Eingangsstufe die präventive wie reaktive sonderpädagogische Förderung ihren angemessenen Platz findet. Der AK GEM begrüßt im Übrigen die Stellungnahmen und die inhaltliche Tendenz der Papiere von Grundschulpädagog/inn/en vom Oktober 2001 und von Schulleiter/inn/en der Sekundarstufe I vom Juli 2001 und sieht große Übereinstimmungen. Wir halten es für nötig, dass die neue Regierung der integrationspädagogischen Entwicklung neue Impulse und einen sicheren Entwicklungsrahmen für qualitätsvolle Arbeit gibt. Es ist wünschenswert, wenn eine gemeinsame dauerhafte Konferenz zur Realisierung und Koordination der verschiedenen Forderungen eingerichtet würde. Der Beirat Sonderpädagogik/Integration ist für diesen Zweck ungeeignet, zumal er für Eltern, Verbände, Gewerkschaften, das Amt des Behindertenbeauftragten und Selbsthilfegruppen nicht geöffnet ist. Diese Institutionen und Gruppen müssen aber im Sinne einer kunden- und demokratieorientierten und vernetzten Förderung mit einbezogen werden. Mit freundlichem Gruß im Namen des AK GEM Prof. Dr. Ulf Preuss-Lausitz
Äußere Differenzierung in den Klassen 5 und 6 – Stellungnahme des AK GEM Zum Rundschreiben III Nr. 2/2001 vom 11.1. 2001
Der AK GEM begrüßt, dass mit diesem neuen Rundschreiben alle Grundschulen aufgefordert werden, ihr eigenes Differenzierungskonzept zu entwickeln und vorzulegen. Er erkennt an, dass das Rundschreiben im Vergleich zum Rundschreibenentwurf vom 15.5.2000 offener gehalten ist und den Grundschulen die Möglichkeit eingeräumt wird, in ihrem Differenzierungskonzept die spezifische Situation ihrer Schule zu berücksichtigen. Der AK GEM kritisiert jedoch, dass mit diesem Rundschreiben weiterhin, wenn auch in abgemilderter Form, an der äußeren Fachleistungsdifferenzierung in Deutsch, Mathematik und Fremdsprache in zwei Niveaustufen als Regelform festgehalten wird. Diese selektive Tendenzen fördernde Form der Differenzierung ist kein Beitrag zur Qualitätsverbesserung, sondern behindert Grundschulen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe zur individuellen Förderung im gemeinsamen Unterricht. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die diesbezüglichen Begründungen von Prof. Dr. Hans Eberwein (Freie Universität Berlin) in seiner Stellungnahme vom 3.7.2000 zum Rundschreibenentwurf „Äußere Differenzierung in den Klassen 5 und 6“. Der AK GEM kritisiert insbesondere, dass die besonderen Belange der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinen Schulen in diesem Rundschreiben keinerlei Beachtung finden. Der AK GEM empfiehlt allen Grundschulen, die Aufgaben des gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen wahrnehmen, bei der Ausarbeitung ihres Differenzierungskonzeptes integrationsfördernde Formen innerer und äußerer Differenzierung zu wählen (z.B. Wochenplanarbeit, klassenstufenübergreifende Projektarbeit, spezielle Übungsgruppen, Interessenkurse) und auf Formen der Fachleistungsdifferenzierung in zwei Niveaustufen grundsätzlich zu verzichten. Der AK GEM erwartet von der Senatsschulverwaltung, dass solche integrationsfördernden und nicht selektiv wirkenden Differenzierungskonzepte grundsätzlich genehmigt werden.