1. Der AK Gem äußerst sich zur geplanten Schulreform ausschließlich unter dem Aspekt, ob sie die Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher bzw. jener mit sonderpädagogischem Förderbedarf in notwendiger Weise fördert. Grundsätzlich entwickelt sich Gemeinsame Erziehung am besten in nichtauslesenden Klassen und Schulen. Im Sekundarbereich wären das Gesamtschulen oder Gemeinschaftsschulen. Unabhängig davon haben – laut Schulgesetz – auch alle heutigen und die geplanten neuen Schulformen die Verpflichtung, die Inklusion aller Kinder als ihre Aufgabe anzusehen.
2. Der AK Gem hat am 5. 11. 2009 zu den damaligen “Eckpunkten für die Erarbeitung eines Vorschlags zur Weiterentwicklung der Beliner Schulstruktur” des Senators Zöllner Stellung genommen und in diesem Zusammenhang die explizite Aufnahme der Integration von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen bzw. mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Prozess der Schulreform der Sekundarstufe I angemahnt.
3. Insofern begrüßt es der AK Gem, dass die integrative Aufgabe nun ausdrücklich in der Drs 16/2135 aufgegriffen wird und der schulgesetzlich bestehende Vorrang der Gemeinsamen Erziehung bestätigt wird. Zu begrüßen ist es, dass der Senat, in Bezug auf die innerstaatliche Übernahme der UN-Konvention über die Rechte Behinderter [1] “schulstukturelle Überlegungen der sonderpädagogischen Förderung” (Abschnitt 2.5) für erforderlich hält.
4. Dem AK Gem genügt aber der Hinweis auf künftige schulstrukturelle Überlegungen nicht. Die in Drs 16/2135 genannte zutreffende Begründung für die Überwindung der Hauptschule, insbesondere der Hinweist auf die negativen Folgen der Hauptschule als ungünstigem Lern- und Entwicklungs-Milieu mit stark sozial ausgelesener Schülerschaft, trifft für die Sonderschule (insbesondere mit den Schwerpunkten Lernen, Verhalten und Sprache) verschärft zu. Daher hat der AK Gem dem Senat – den Parteien und den Bezirken zur Kenntnis – Ende Februar 2009 einen Vorschlag unterbreitet, wie im Rahmen bestehender Personalkosten und mittelfristig insbesondere für die Bezirke deutlich kostensparend eine generelle und jahrgangsweise Verlagerung der sonderpädagogischen Förderung in den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und emotionale und soziale Entwicklung (Verhalten) in die Regelschulen machbar wäre. Der AK Gem hält es für erforderlich, dass solch eine Perspektive in das veränderte Schulgesetz aufgenommen und sie bezirksweise umgesetzt wird.
5. Der Ak Gem hat im November 2008 vorgeschlagen, in den Sekundarschulen die sonderpädagogische Förderung, zusammen mit der Sprachförderung, der innerschulischen Lernhilfe und der Talentförderung durch die Einrichtung von sog. Unterstützungs-Centers organisatorisch zu stärken. Dieser Vorschlag ist bislang leider nicht aufgegriffen worden. Auch könnte dort die verbindliche Kooperation mit der Jugendhilfe verankert werden. Wir halten es für notwendig, dass der Ausbau der Gemeinsamen Erziehung auch organisatorisch und im jeweiligen Schulprogramm verankert wird.
6. Für alle Förderschwerpunkte müsste außerdem in Folge der Rechtswirksamkeit der UN-Konvention im Schulgesetz der sog. Haushaltsvorbehalt bzw. die Möglichkeit der Abweisung von Gemeinsamem Unterricht durch Schulleitungen gestrichen werden – sonst macht der Begriff der „integrativen Sekundarschulen“ keinen Sinn.
7. Zum Ausbau der Gemeinsamen Erziehung auch in der neuen Schulstruktur hält es der AK Gem für erforderlich, die räumlichen Rahmenbedingungen für Integration dadurch zu sichern, dass bei allen Umbauten (auch im Rahmen des Konjunkturprogramms und des Umbaus zu Ganztagsschulen) einerseits die Barrierefreiheit gewährleistet bzw. hergestellt wird (auch in Gymnasien), zum anderen insbesondere in den neuen “integrativen Sekundarschulen eine Raumzone eingerichtet wird, in der Sozialarbeiter, Sonderpädagogen und Jugendhilfe in Schulstation und Unterstützungs-Center attraktiv angesiedelt sind. In dieser Raumzoge für die Möglichkeit der Lernhilfe und der Talentförderung könnte hier eine Anlaufstelle liegen.
8. Der AK Gem begrüßt die Absicht, die Sekundarschulen als Ganztagsschulen einzurichten. Dabei sollten jeweils ein Ruheraum innerhalb der Jahrgangsbereiche als auch Möglichkeiten geschaffen werden, für ambulante Therapien (z.B. Sprachtherapie, Ergotherapie) einen Raum zur Verfügung zu stellen.
9. Der Gemeinsame Unterricht mit zieldifferent unterrichteten Schülerinnen und Schülern wird für alle Lehrkräfte erleichtert, wenn die Rahmenlehrpläne für die Förderschwerpunkte Lernen und geistige Entwicklung in die allgemeinen Rahmenlehrpläne integriert werden. Das wird allein schon durch die geplante Ausdehnung des praktischen Lernens (duales Lernen, Schülerfirmen, Ausbau Arbeitslehre usw.) nötig.
10. Gemeinsamer Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher muss eine Selbstverständlichkeit in allen Berliner Schulen aller Schulformen werden. Daher halten wir es für beklagenswert, dass die Pflichtlehrveranstaltung Integrationspädagogik , wie sie als Voraussetzung für das Lehramts-Staatsexamen seit 2000 erforderlich ist, im neuen gestuften lehramtsbezogenen Studium nur noch in der TU als Teil des (BA-)Studiums verbindlich ist. Das stellt einen klaren Rückschritt hinter bereits erreichte Standards der Lehrerbildung in Berlin dar. Darüber hinaus sollte, zur Verbreiterung sonderpädagogischer Kompetenz und eines flexibleren Lehrereinsatzes, Sonderpädagogik mit den Schwerpunkten Lernen und Verhalten auch in den Lehrämtern 1-4 als Nebenfach gewählt werden können. Bislang ist dies nur im Lehramt 5 (Berufsschullehrer) möglich.
11. Über diese Forderungen zum GU in der Sekundarstufe fordert der AK Gem, dass auch im Primarbereich und in der Berufsschule die Perspektive inklusiver sonderpädagogischen Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen weiter entwickelt und zeitnah umgesetzt wird.