Archiv für den Monat: März 2012

Zweite Stellungnahme des AK Gem zum Senatsplan: „Gesamtkonzept „Inklusive Schule“. Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“

Verabschiedet in der Sitzung des AK Gem am 13.03.2012

Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft hat im Rahmen der sog. Konsultationen alle daran Beteiligten aufgerufen, bis zum 27.03.2012 erneut zum o.g. Senatsplan Stellung zu nehmen, damit die Stellungnahmen in die geplante Überarbeitung der bisherigen Senatsvorlage einbezogen werden können. Der AK Gem hat sich zum Senatskonzept im März 2011 geäußert. Diese Vorschläge bzw. kritischen Einwände gelten weiterhin [1] . Sie werden diesem Beschluss erneut angefügt.

Durch die eingetretenen Verzögerungen ist es aus Sicht des AK Gem notwendig geworden, zu einigen Punkten ergänzend Stellung zu beziehen.

Der AK Gem bedauert die Verzögerungen in der Umsetzung auf dem Weg zur inklusiven Berliner Schule und fordert den Berliner Senat auf, zeitnahe Entscheidungen zu treffen. Schon im laufenden Schuljahr ist durch die Fortsetzung der ‚Deckelung’ von Lehrerstellen für den gemeinsamen Unterricht (GU), bei weiterhin steigenden absoluten GU-Zahlen, eine teilweise dramatische Unterausstattung entstanden. Senat und Parlament haben dies zur Kenntnis genommen, ohne zu handeln. Der AK Gem fordert, dass zum Schuljahr 2012/13 eine sofortige, dem Bedarf im GU entsprechende Aufstockung der Ressourcen erfolgt und die ‚Deckelung’ aufgehoben wird. Die sonderpädagogischen Ressourcen müssen nachweisbar in der allgemeinen Schule ankommen.

Der AK Gem empfiehlt, dass in der Überarbeitung der Senatsvorlage stärker als bislang die UN-Behindertenrechtskonvention in ihren Zielen und Begründungen dargestellt wird, auch unter Einbeziehung der zwischenzeitlich erfolgten Stellungnahmen der Monitoringstelle der Bundesregierung (Deutsches Institut für Menschenrechte, Berlin) und der Deutschen Unesco-Kommission Inklusion [2] . Inklusion ist ein Weg zur Vermeidung von Diskriminierung, Absonderung und Chancenungleichheit, der nicht isoliert, sondern in seinen Verknüpfungen zu anderen Entwicklungen im Bildungsbereich und anderer Lebensbereiche von Menschen mit Behinderungen und Benachteiligungen gesehen werden muss.

Der AK Gem hält die in der bisherigen Senatsvorlage enthaltene Konzentration auf die allgemeine Schule für wichtig, fordert jedoch eine gleichzeitige Einbeziehung der Frühförderung/des Vorschulbereichs mit seiner ‚Schnittstelle’ zur Grundschule, der Jugendhilfe, des Schulpsychologischen Dienstes und der beruflichen Bildung. Es wird empfohlen, nach Verabschiedung des Konzepts entsprechende spezielle fachliche Arbeitsgruppen einzurichten, die möglichst rasch Umsetzungsvorschläge vorlegen.

Der AK Gem hält es für erforderlich, dass nicht zuletzt wegen der in der Öffentlichkeit zuweilen geäußerten Befürchtung, Inklusion könne als ‚Sparmaßnahme’ missbraucht oder ‚zum Nulltarif’ umgesetzt werden, eine transparente umfassende – über die Darstellung von Personalkosten hinausgehende – Analyse bisheriger Kosten für das Berliner Doppelsystem (Förderschulen und gemeinsamer Unterricht) vorgelegt wird. Das schließt die Kosten der Bezirke für den Betrieb und Erhalt von Förderschulen und für die Beförderung behinderter Schüler/innen ebenso ein wie die Kosten für die Qualifizierung von Lehrkräften, Schulleitungen und anderem Personal.

Der Berliner Senat hat sehr spät realisiert, dass Inklusion nicht als top-down-Strategie, sondern als ein Prozess zu organisieren ist, der die Partizipation zahlreicher Akteure als ein genuines Element von Inklusion versteht. Insofern begrüßt der AK Gem, dass in den sog. ‚Konsultationen’ – notwendigerweise auch kontroverse – Gespräche über einzelne Ziele und Schritte möglich waren. Auch nach der vorgesehenen Überarbeitung durch Parlament und Regierung ist Partizipation auf dem Weg zu einem inklusiven Bildungssystem erforderlich. Daher wird empfohlen, neben dem geplanten fachlichen Beirat eine transparente Umsetzung des Inklusionskonzeptes durch einen öffentlichen Diskurs nachhaltig zu organisieren (z.B. Forum). Außerdem hält der AK Gem bezirkliche Steuerungsgruppen zur Umsetzung der Inklusion für notwendig, die über den Schulbereich hinausgehen und u.a. die bezirklichen Schulträger, den Schulpsychologischen Dienst, die Jugendhilfe, den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, die geplanten BUZ und Vertreter der vorschulischen und der beruflichen Bildung einbeziehen.


[1] Die in unserer Stellungnahme von März 2011 unter Punkt 6 monierte falsche Berechnung der Ausstattung in der Sekundarstufe (vgl. im Senatsbericht unter 4.2) ist durch SenBJW inzwischen korrigiert worden. Es bleibt aber bei unserem Einwand gegen die generelle Absenkung in der Sekundarstufe, da es nötig ist, die mit einer Vielzahl von besonderen Lern- und Verhaltensproblemen belasteten ISS und die noch zu entwickelnde zusätzliche Förderung des begleiteten Übergangs Schule – Beruf und des praktischen Lernens angemessen auszustatten.

[2] Vgl.: Deutsches Institut für Menschenrechte: Stellungnahme zum Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung anlässlich der Anhörung im Deutschen Bundestag am 17. Oktober 2011: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/uploads/tx_commerce/stellungnahme_zum_nationalen_aktionsplan_der_bundesregierung_17_10_2011.pdf

Deutsche Unesco -Kommission: Inklusive Bildung in Deutschland stärken. Resolution der 71. Hauptversammlung der Deutschen UNESCO-Kommission, Berlin, 24. Juni 2011: http://www.unesco.de/reshv71-1.html